Am nächsten Tag bin ich nach Lidcombe, einem Vorort Sydneys, gefahren, wo ich eine von drei aramäischen Gemeinden in Sydney besucht habe.
Anfänglich war da sehr große Skepsis, ob ich überhaupt hingehen sollte, Sydney ist schließlich groß genug, um drei Tage auch ohne Aramäer auszukommen. Meine Neugier hat dann aber gesiegt, ich bin hingegangen und wurde nicht enttäuscht.
Die Aramäer hier haben sich sehr unterschiedlich zu den Aramäern in Deutschland entwickelt. Sie kamen vor etwa dreißig Jahren nach Australien, die meisten aus Midyat und konnten es hier mit Schmuck- und Juweliergeschäften zu einigem Reichtum bringen. Viele kommen allerdings auch aus dem Iran, Syrien oder Indien. Die größten Gemeinden befinden sich in Sydney und Melbourne. In Queensland und Neuseeland befinden sich kleinere Verbände. In Adelaide gibt es übrigens keine.
Dadurch, dass die Meisten hier aus der gleichen Gegend eingewandert sind, gibt es wesentlich weniger Streitigkeiten und Rivalitäten, die so typisch sind für Europa. Zudem glaube ich, dass die australische Kultur mit ihrer oberflächlichen Freundlichkeit und Offenheit wesentlich besser zur aramäischen Kultur passt, die ebenfalls dieser floskelhaften Freundlichkeit bedient, als die deutsche Kultur mit ihrer ehrlichen Unfreundlichkeit und Tendenz zur Nörgelei. Natürlich kann man nichts Verallgemeinern und alles ist im Kontext zu sehen und Aussagen in diesen Bereich sind mehr auf Stereotypen als auf harte Fakten zurückzuführen. Zum Glück schreibe ich hier aber keinen wissenschaftlichen Artikel (wozu ich selbstverständlich mühelos in der Lage wäre), sondern einen Blog und da kann ich ganz ungeniert über die freundlichen Australier und die defätistischen Deutschen (zu denen ich mich natürlich auch zähle) schreiben.
Es ist also so, dass ich meine, dass die aramäische Kultur nicht sehr gut zur Deutschen passt und sich dies in einer ungesunden, überkritischen Haltung von Aramäern gegenüber allem Neuen ausdrückt: Nicht-Studenten gegen Studenten, Pseudo-Intellektuelle gegen Intellektuelle, Alte gegen Junge, Kirche gegen Kirchenangehörige, Kirche gegen Religion, Eltern gegen Kinder, Blinde gegen Einäugige. Eine ausgeprägte Neidgesellschaft ist da am Werke und manchmal ist es sehr schwer, einfach über alles zu lachen und ruhig zu bleiben. Vielleicht täusche ich mich auch und diese bösartige Wurzel war schon immer in der aramäischen Seele verankert und wurde in Europa nur freigelegt. Eine schwarze Blüte, der einfach der richtige Untergrund gefehlt hat und die dann in relativem Wohlstand zur vollen Entfaltung und Pracht kam.
Denn auch in Australien haben die Gemeinden Probleme und bekämpfen sich gegenseitig, ganz ähnlich zu Europa also. Das ist zumindest, was mir zugetragen wurde.
Jedenfalls hatte ich in Sydney sofort das Gefühl willkommen zu sein. Die Sprache ist dieselbe und vieles wirkt so vertraut; es ist eine Verbindung da und sie hat mich auf merkwürdige Weise gerührt.
Ich bin also am Sonntagnachmittag angekommen und hatte ziemliches Glück, denn es gab ein Jugendmeeting, das anscheinend regelmäßig stattfindet und dort hatte ich die Gelegenheit den Erzbischof von Australien und Neuseeland, Mor Malatius Malki Malki, kennenzulernen, der diese Meetings betreut und seine Residenz in Lidcombe hat. Derselbige Bischof soll übrigens auch die Leitung der Diözöse Berlin und Umgebung übernehmen soll, wo er alles andere als Willkommen ist. Falls das wirklich jemanden interessiert, dann gibt es mehr dazu hier…
Mich hat jedenfalls seine jugendliche Art positiv überrascht. Der Bischof scheint einen sehr guten Draht zu den Jugendlichen der Gemeine zu haben. Allerdings ist dies bei der älteren Generation nicht dder Fall und die Gesamtsituation dort ist demnach nicht allzu rosig. Wahrscheinlich habe ich nur einen kleinen Teil gesehen, der mehr oder weniger gut funktioniert und den Rest, der im Argen liegt, übersehen. Wenn er jedenfalls meint, dass die älteren Generation in Deutschland weniger schwer zu handhaben ist und er es dort leichter hat, dann wünsche ich ihm alles Gute für die Zukunft und einen hervorragenden Kardiologen. Denn in Deutschland will ihn niemand. An dem Tag als ich da war, haben ihm die meisten Jugendlichen bereits gesagt, dass sie keine Motive mehr haben an den Meetings teilzunehmen, wenn er denn geht. Mir ist es unverständlich, wie er da den Jugendlichen den Rücken zukehren kann, wo er doch wenigstens diesen Bereich zum Laufen gebracht hat. Das ist wesentlich mehr als die deuschen Diözösen zurzeit von sich behaupten können. Gegenwärtig befinden diese sich in einem Zustand völliger Starre und agonischer Selbstbeschäftigung. Eine Krise, die noch viele Jahre andauern wird und beispiellos ist in der gesamten Kirchengeschichte.
Der Abend ging sehr schnell vorbei, anschließend wurde ich zum Essen mitgenommen, wo ich mich noch einige Zeit austauschen konnte. Sehr nette Menschen und auf jeden Fall einen weiteren Besuch wert.
Nachdem ich das also hinter mich gebracht hätte, habe ich mir den Montag über noch Sydney angeschaut und bin abends noch mit Aaron ein wenig um die Häuser gezogen.
Am Dienstag früh bin ich dann zurück nach Adelaide gefahren, was volle zwei Tage gedauert hat. Wir mussten also zwischendurch übernachten. Die Mitfahrgelegenheit fand ich über den gumtree, wo ich meine jetzige Wohnung gefunden habe. Ebenfalls eine tolle Internetseite.
Der Fahrer hieß Steven und ist ein Möbelpacker, der Leuten ihre Sachen von A nach B fährt. Nur, dass das hier eben manchmal zwei Tage Fahrt auf einsamsten Landstraßen bedeutet, was auch der Grund ist, warum er jemanden mitgenommen hat.
Die Zeit verging dann doch irgendwie, insbesondere weil Steve noch jünger war und einiges über seine früheren Reisen erzählen konnte. Außerdem ließ er sich über den America’s Cup, einem Segelwettbewerb, aus, der ziemlich von den Neuseeländern dominiert wird und da Steve von dort kommt, war er Feuer und Flamme bei diesem Thema.
Am Donnerstagabend (19.04.) kam ich also in Adelaide an und bin dann, nachdem ich Steve ein wenig mit dem Ausladen der Möbel geholfen habe, ins Bett gefallen. Zwei Tage Fahrt machen schon sehr müde.
So, das waren also meine Reisen während des Midsemesterbreaks.
Sydney war einfach toll und ich werde es noch mal besuchen.